Das vergangene Jahr war für Rumänien ein bewegtes, wegen Corona, aber auch wegen des andauernden Ringens um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Aber es besteht Anlass für Hoffnung.

2020 war ein schwieriges Jahr für Europa und die Welt, und es war ein schwieriges Jahr für Rumänien: ein Jahr, in dem eine Minderheitsregierung das Land durch die COVID-19-Krise führen musste, eine Regierung, die erst einmal gestürzt wurde, weil sie ein Gesetz erlassen wollte, das die (Wieder-)Wahl der Bürgermeister auf demokratischere Beine stellen wollte. Gewehrt hatten sich dagegen die Sozialdemokraten, denen ein solches Wahlgesetz nicht genehm war. Im März neugebildet, stand dann für die Regierung Orban II der Kampf gegen das Virus im Vordergrund. Dabei wurde sie permanent von den Sozialdemokraten und ihnen nahestehenden gesellschaftlichen Kräften boykottiert, aber auch von der Rumänischen Orthodoxen Kirche, für die das Ausfallen der Osterfestlichkeiten sowie der Wallfahrten bedeutende finanzielle Einbußen gebracht hat. Schlimm war, dass es von Seiten hoher orthodoxer Kirchenfürsten sogar offene Aufforderung zu sozialem Ungehorsam gab, zuletzt versuchten sie es mit der Beeinflussung der Parlamentswahlen und drohten mit dem Eingriff Gottes und dem Sturz der Regierung wie des Präsidenten (so der Patriarch und der Erzbischof von Constanta).

Es war auch ein Jahr, in dem sich, zwischen Lokalwahlen und Parlamentswahlen, im rumänischen öffentlichen Leben eine Vielfalt von politischen Positionen entfaltet hat, die Rückschlüsse für die nächsten Jahre erlauben. Und das parallel zu den Wahlen in den USA, die so wichtig für die Stabilität Europas und der Welt und einer Rückkehr zur Normalität sind. Übrigens waren die politischen Turbulenzen in den USA eine gute Gelegenheit für die illiberalen Kräfte aus Mittel- und Südosteuropa, sich gegen die EU und die Demokratie auszusprechen; das traf auch auf Rumänien zu, wo sich hinter dem Wahlbündnis der Sozialdemokraten diverse Gruppierungen versteckten, die von den Nachfolgern der Kommunisten über Nationalisten, Antieuropäer, Russophile, Antidemokraten, Gegner von Minderheitenrechten und der Zivilgesellschaft bis hin zu verbrecherfreundlichen Politikern reichten – und die Unterstützung der orthodoxen Kirche genossen; dieses Wahlbündnis hat gewiss auch viele Nuancen, denn auch unter diesen gibt es ehrliche Anhänger eines sozialen, demokratischen, proeuropäischen Staates. Offensichtlich ist aber, dass die Mischung von ultranationalistischer Rechter mit dem Nationalkommunismus eine Legierung von demokratiefeindlichen Kräften ergibt, die auf die Dauer extrem gefährlich sein kann.

Wie die Wahlen in den USA ausgegangen sind, ist inzwischen bekannt, und dies gibt uns die Hoffnung, dass die USA künftig wieder berechenbarer handeln werden, wobei für den neuen amerikanischen Präsidenten die Interessen der USA sicherlich an erster Stelle stehen werden, jedoch die gemeinsamen euroatlantischen Interessen wieder eine wichtige Rolle spielen dürften. Wie die Kommunalwahlen Ende September bei uns ausgegangen sind, wissen wir auch, und man konnte feststellen, dass einerseits die Liberalen einen guten Teil der Kreisräte und Rathäuser gewinnen konnten, aber, und vielleicht noch wichtiger, dass sich die neue politische Kraft der USR-PLUS (Uniunea Salvați România/Union Rettet Rumänien – Partidul Libertate, Unitate și Solidaritate/Partei der Freiheit, Einheit, Solidarität) behauptet hat und in einigen wichtigen Städten die Bürgermeisterämter gewinnen konnte.

Ausdruck der Verzweiflung einer Generation

Die etwas hochtrabenden Namen der beiden Parteien drücken die Verzweiflung einer Generation aus, die sich mit weitverbreiteter Inkompetenz und Korruption konfrontiert sieht. Ebenso war festzustellen, dass die Sozialdemokraten (eigentlich ein Tarnname) wichtige Positionen verloren haben (etwa in Bukarest). Auf dem Land sind sie allerdings immer noch in einer recht starken Position. Die relativ guten Wahlergebnisse hatten – neben den schon im Vorjahr erzielten Erfolgen bei den Wahlen für das Europäische Parlament – den Gegnern der „Sozialdemokraten“ (PSD), also der National-Liberalen Partei und dem Reformbündnis USR-PLUS, Hoffnungen gemacht auf ein gutes Abschneiden bei den Parlamentswahlen später im Jahr. Die Zeit schien eben reif dafür – nach vielen Jahren, in denen die Sozialdemokraten (einige ihrer Spitzen sitzen mittlerweile im Gefängnis) eine wahre Offensive gegen den Rechtsstaat geführt hatten, wobei sie gegen die EU agitierten, eine Hinwendung in Richtung Russland oder China propagierten und sich an dem himmelschreienden Beispiel des ungarischen Premierministers orientierten.

Unterdessen kennen wir jedoch auch die Resultate der Parlamentswahlen von Anfang Dezember, die für die Liberalen bei Weitem nicht so günstig ausgegangen sind, wie diese es sich erhofft hatten. Dasselbe gilt auch für die USR-PLUS. Die Partei der ungarischen Minderheit (UDMR – Uniunea Democrată Maghiară din România/Romániai Magyar Demokrata Szövetség) wurde von ihren Stammwählern unterstützt und konnte wieder ins Parlament einziehen. Tatsache ist, dass die Sozialdemokraten die meisten Stimmen erhielten und daher den Anspruch äußerten, als Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Allerdings verfehlten auch sie klar eine absolute Mehrheit, und da niemand mit ihnen koalieren mochte, wurde die Bildung einer Regierung aus den Liberalen, USR-PLUS und der Ungarnpartei möglich, die zusammen über eine knappe Parlamentsmehrheit verfügen. Glücksfälle waren dabei, dass einige der Radikalen der PSD nicht ins Parlament gewählt worden waren, dass der ehemalige Premierminister und Ex-Parteichef der PSD, Victor Ponta, mit seiner neu gegründeten Partei „PRO România“ sowie ein anderer ehemaliger Premierminister und Parteichef der ALDE (Partei die Allianz der Liberalen und Demokraten), Călin Popescu-Tăriceanu, nicht genügend Stimmen für den Einzug ins Parlament bekommen haben; somit wurde zwei großen Demagogen der Weg ins Parlament und zur Immunität versperrt. Ebenso hat die Partei des ehemaligen Staatschefs Traian Băsescu den Einzug ins Parlament knapp verpasst. Băsescu hatte, nachdem er 2009 ihre Kandidatur für das Europaparlament unterstützt hatte, die Kandidatur seiner Tochter für das rumänische Parlament gefördert, sich damit allerdings von einem guten Teil seiner Wählerschaft entfernt, der den intellektuellen und politischen Fähigkeiten der Tochter misstrauisch gegenüberstand. Das Scheitern der Băsescu-Partei (PMP-Partidul Mișcarea Populară/Partei der Volksbewegung) ist aber insofern nicht uneingeschränkt zu begrüßen, weil so den Rechtsextremen Platz gemacht wurde.

Irreführung von rechts

Das besonders betrübliche Ergebnis der Parlamentswahlen ist nämlich die Tatsache, dass eine neue Gefahr für den Rechtsstaat entstanden ist, durch eine neue Partei, von der bis vor einigen Wochen niemand etwas gehört hatte und die mit fast 9 % der Stimmen ins Parlament eingezogen ist. Dabei handelt es sich um die sogenannte Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR) – die „Einheit“ der Rumänen ist schon immer ein Steckenpferd der rumänischen Nationalisten, mit der sie eine verarmte Landbevölkerung irreführen, anstatt ihr gute Schulen, ein gut organisiertes Versicherungs- und Gesundheitssystem zu bieten oder gute Straßen und Autobahnen und saubere Eisenbahnzüge zu liefern. Diese Partei pflegt einen legionären Diskurs, d. h., ihre Rhetorik erinnert an die Legion des Erzengels Michael, später Eiserne Garde aus der Zwischenkriegszeit, eine rechtsextreme, ultranationalistische Partei mit faschistischen Zügen.

Aus der Perspektive eines Wählers – nicht eines politischen Analysten – möchte ich nun einige Anmerkungen über die Art und Weise, wie sich unsere Politiker nach dem Wahlergebnis verhalten, anbringen:

Die Sozialdemokraten versuchen den Schaden herunterzuspielen und – genauso wie Trump es im großen Maßstab macht – klagen darüber, dass bei den (Lokal-)Wahlen ihnen mindestens Bukarest „gestohlen“ wurde (so die nun ehemalige Oberbürgermeisterin von Bukarest aus der PSD). Aber das ist so weit nichts Neues. Darüber hinaus sprechen sie der Regierungskoalition, die aus Liberalen, USR-PLUS und der Ungarnpartei besteht, jegliche Kompetenz ab. Dabei muss man wissen, dass die jetzigen Regierungsvertreter aus Milieus kommen, in denen ein ordentliches Studium als Grundlage der Karriere gilt; im Unterschied zu den sozialdemokratischen Regierungen, in denen die Generation der jetzt über 60-Jährigen, sofern sie etwas studiert hat, aus dem Umfeld der ehemaligen „Stefan Gheorghiu“-Akademie kommt: die ehemalige Kaderausbildungsstätte der Kommunisten. Später kamen immer mehr Vertreter hinzu, die des Plagiats überführt wurden oder an Universitäten studiert hatten, von denen niemand etwas gehört hat, die aber jener politischen Klientel den Weg in die Ämter geöffnet hat, die in große Korruptionsaffären involviert war und jetzt darüber verzweifelt ist, nicht die großen Summen des Europäischen Wiederaufbaufonds verwalten zu können.

Wandelbare Positionen

Was die Frage des Kampfes gegen das Coronavirus betrifft, so sind die Positionen der Opposition sehr wandelbar: Während die Sozialdemokraten im Frühling 2020 noch meinten, dass der Präsident und die Regierung fundamentale Freiheiten und Rechte durch die Schutzmaßnahmen verletzt hatten, so beklagten sie bis vor Kurzem das Fehlen dieser Maßnahmen und beginnen jetzt wieder, über die Umsetzung der Schutzmaßnahmen zu klagen. Wie kann man das verstehen?

In diesem Zusammenhang muss der Skandal um die großen Wallfahrten in Iaşi, in Bukarest und in der Dobrudscha erwähnt werden; Wallfahrten, die für die orthodoxen Gläubigen Rumäniens besonders wichtig sind. Anstatt den Menschen zu erklären, dass dieses Mal aufgrund der Pandemie ein Verzicht auf eine großangelegte Wahlfahrt angebracht sei, werden die Menschen von Zeitungen, die von altkommunistischen Chefredakteuren geleitet werden und immer noch Einfluss haben, zu Ungehorsam aufgefordert. Mehr noch, die Regierenden werden als Feinde der rumänischen Nation gebrandmarkt. Und, als ob es nicht genug wäre, es kommen frustrierte Halbintellektuelle oder politische Auslaufmodelle zu Wort und behaupten, der Präsident und seine Regierung wären denen der faschistischen Regime ähnlich oder doch nahe stehend, weil sie „aus den Untersten“ gebildet worden seien. Und die Führung der Orthodoxen Kirche beruhigt die Gemüter nicht, wie sie es mit ihrem enormen Einfluss in der Bevölkerung tun könnte und es wohl auch christlich wäre, sondern ganz im Gegenteil äußert sie Drohungen, um die Stimme eines der bekanntesten und klügsten rumänischen Journalisten zum Schweigen zu bringen.

Jedenfalls muss man die Verantwortung der Führung der sozialdemokratischen Partei sowie der orthodoxen Hierarchen hervorheben für all die, die sich bei den illegalen Demonstrationen gegen die Maskenpflicht und andere Schutzmaßnahmen sowie bei Gottesdiensten und Wallfahrten mit dem Virus infiziert haben – eine Verantwortung, die ihnen wahrscheinlich auch der liebe Gott nicht abnehmen wird.

Besonders schwerer Stand

Einen besonders schweren Stand hat der Präsident. Der deutschen Minderheit angehörend ist Klaus Johannis einerseits der Nutznießer des positiven Images der Deutschen in Rumänien. Andererseits aber wird er für jeden Schritt eben wegen seiner Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit und damit nicht zur orthodoxen Mehrheitsbevölkerung mit den „Deutschen”, eigentlich mit allem Fremden, identifiziert. Besonders von den Sozialdemokraten und jetzt auch der AUR-Partei (die ihn gleich absetzen wollen), die dabei auf eine alte kommunistische Schablone zurückgreifen, wird er als Vertreter „fremder Interessen“ denunziert. Dabei ist er der erste Präsident Rumäniens, der sich wirklich an die Gesetze hält, ebenso ist er ein überzeugter Vertreter des Rechtsstaates und des proeuropäischen, proeuroatlantischen Kurses Rumäniens; einer, der sich dessen bewusst ist, dass ohne die EU und ohne die NATO Rumänien ein sicheres Ziel und Opfer der russischen Politik sein würde. Auch ist er der erste Präsident Rumäniens, in den Hauptstädten der euroatlantischen Welt gerne empfangen wurde und dort akzeptiert wird.

Vor den Parlamentswahlen hat er sich allerdings einige grobe Fehler erlaubt, die ich eher einer schlechten Beratung zuschreibe: Einerseits hat er sich den Stammwählern der Sozialdemokraten total entfremdet durch seine Gleichsetzung allen Bösen mit den Sozialdemoraten; andererseits hat er sich im Laufe dieses Jahres einen groben Ausrutscher gegen die ungarische Minderheit erlaubt (so dass man es jetzt als Glücksfall verzeichnen kann, dass die Ungarnpartei sich in der Rolle des Retters der Demokratie gefällt durch die Teilnahme an der Regierungskoalition). Dabei scheint es, dass der Präsident in seinen ungarnkritischen Äußerungen gewissermaßen nachträglich Recht bakem, als der Präsident der Ungarnpartei (UDMR), Kelemen Hunor, der inzwischen als Vizepremier Rumäniens vereidigt worden ist, kurz nach den Wahlen und nachdem des Abkommen über die Regierungskoalition beschlossen war am 19. Dezember ausgerechnet dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán einen Besuch abgestattet hat, was unter den jetzigen Umständen wenigstens als verfrüht bezeichnet werden kann und auf ein interessantes Verhältnis zwischen der Ungarnpartei aus Rumänien und der ungarischen Regierung hinweist. Ebenso sind dem Präsidenten Johannis im Bereich seiner Personalpolitik einige Fehlentscheidungen zuzuschreiben, die ihm das akademische Milieu entfremdet haben. Alles in allem bleibt der Präsident jedoch ein Garant der Demokratie und des Rechtsstaats sowie des proeuropäischen und proatlantischen Weges Rumäniens, was man bis dato nicht unbedingt von den rumänischen Präsidenten sagen hatte können. Diese waren eher Trojanische Pferde des alten Großen Bruders aus dem Osten oder gernegroße Seiltänzer zwischen den Lagern. Mit Johannis hat Rumänien endlich eine klare politische Linie in der Außenpolitik und hoffentlich von nun an auch in der Innenpolitik, die von den politischen Gegnern bis jetzt ununterbrochen boykottiert wurde.

Hoffnungen auf eine bessere Zukunft

Dies ist umso bemerkenswerter als die prodemokratischen und proeuropäischen Kräfte fast keine Medien auf ihrer Seite hatten. Das öffentliche Fernsehen und die Zeitungen unterstützten bedingungslos die sozialdemokratischen Regierungsallianzen und ihre antidemokratischen Initiativen, wie z. B. die Veränderung der Justizgesetze zugunsten des ehemaligen Chefs der Sozialdemokraten, der unterdessen im Gefängnis sitzt. 2017/18 gingen die Leute auf die Straße gegen die von den Sozialdemokraten beschlossene Veränderung des Strafgesetzbuches, den Status der Richter und Staatsanwälte, gegen das Gesetz über die Organisation der Justiz und das Gesetz zur Re-Organisation des obersten Justizrates, die deutliche Verringerung der Befugnisse des Präsidenten bei der Ernennung der Staatsanwälte und der Richter des Obersten Gerichtshofes usw. – allesamt Änderungen abgefasst zugunsten von Kriminellen und gerichtet gegen die Autonomie der Justiz und deren Vertreter. Tatsache ist, dass diese – meistens jungen, aber nicht nur – Menschen, die vor zwei Jahre gegen diese Angriffe auf Justiz und Rechtsstaat demonstriert haben, jene Wende im Wahlverhalten herbeigeführt haben, die zu einer Parlamentsmehrheit geführt hat, die jetzt Hoffnungen auf eine bessere Zukunft macht.

Rumänien hat jetzt ein demokratisch gewähltes Parlament, in dem sich eine parlamentarische Mehrheit aus Liberalen, USR-Plus und Ungarnpartei, unterstützt auch von der Gruppe der Abgeordneten der anderen ethnischen Minderheiten, gebildet hat; diese wird das Land hoffentlich auf dem „langen Weg nach Westen“ mit Erfolg führen. Es hängt nun davon ab, über wie viel Reife diese „jungen“ Politiker verfügen, um einen Rechtsstaat zu formen, der das Land entwickelt, ohne jemanden auf dem Weg zu zurückzulassen.


Beitragsbild: Klaus Johannis (2015). Source: European People’s Party, Klaus Iohannis at EPP Summit, March 2015, Brussels, CC BY 2.0