Der Shutdown trifft auch Bibliotheken. Zum Glück werden diese dafür online umso aktiver.
Wem das Leben, Arbeiten und Entdecken in der Bibliothek fehlt, dem bleibt derzeit nichts anderes übrig, als beispielsweise online den Geräuschen aus der Bodleian Library zu lauschen: https://www.ox.ac.uk/soundsofthebodleian. Klickt man sich vor dem Hintergrundrauschen leisen Blätterns, Raschelns, Knarzens auch noch durch die Sammlung von Bibliotheksansichten auf Wikimedia Commons verfällt die/der ein/e oder andere sicher in sehnsuchtsvolle Stimmung. Die Bibliothek als Ort – gerade als Ort der Begegnung und Inspiration – wird schmerzlich vermisst.
Unmittelbarer betrifft alle am IOS – Wissenschaftler*innen, Hochschullehrer*innen und wohl am schmerzhaftesten die Studierenden – der erschwerte, meist sogar blockierte Zugang zu Informationen aus Bibliotheken und Archiven. Wenn Quellen und wissenschaftliche Literatur nicht verfügbar sind, der vergleichende, abwägende Diskurs nicht mehr gegeben ist, steht schließlich das, was wir als wissenschaftliche Objektivität und Transparenz verstehen, grundlegend in Frage. Jean-Claude Guédons allgemein gehaltene Feststellung „Whenever access to documents is impeded, the quality of human communication suffers“1 gilt insofern besonders auch für die Qualität wissenschaftlicher Kommunikation.
Es wird nun ganz offensichtlich, welcher geradezu existentielle Stellenwert dem Open Access-Paradigma zuwächst: „The best demonstration of the primacy of communication over business plans becomes blindingly clear when an emergency arises.“2 Und zwar nicht nur in Bezug auf medizinisch-naturwissenschaftliche Studien, deren freie Zugänglichkeit mitunter lebensrettend sein kann, sondern ganz umfassend für ernstzunehmendes wissenschaftliches Arbeiten. Ohne Referenzen, ohne Diskussion und Einordnung von Forschungsergebnissen, ohne Bezüge auf aufbereitetes Wissen erwächst ein Qualitäts- und Legitimitätsproblem.
Es wird dann schwer, verantwortungsbewusst durch Wissenstransfer zum gesellschaftlichen Leben beizutragen. Ganz zu schweigen von den persönlichen Auswirkungen, wenn sich Lücken in Anträgen, Aufsätzen und Abschlussarbeiten nicht mehr qualifiziert schließen lassen.
Die Bibliotheken wissen darum. Und zahlreiche Einrichtungen bemühen sich, wissenschaftliches Arbeiten trotz aller Einschränkungen zu ermöglichen.
So bieten mittlerweile viele Bibliotheken eine rasche und unbürokratische Registrierung an, um auf die E-Ressourcen und Datenbanken den Zugriff via Remote Access zu ermöglichen.
Auch Verlage reagieren auf die Situation und stellen vorübergehend elektronische Angebote zur Verfügung.
Im Folgenden eine Reihe von Hinweisen, Links und Listen (zu denen gerne auch beigetragen werden kann):
- Linksammlungen:
https://etherpad.wikimedia.org/p/BibliothekenSindDa – wohl umfangreichste Sammlung mit Angeboten von Bibliotheken, Verlagen, Kultureinrichtungen zur Nutzung von Online-Ressourcen und -Services; frei editierbar.
https://go.ur.de/corbib – nach Fachbereichen aufbereitete Liste mit Datenbanken und Verlagsangeboten zusammengestellt von der UB Würzburg.
- Vereinfachte Registrierung bei ausgewählten Bibliotheken mit umfangreichen digitalen Quellen:
Staatsbibliothek zu Berlin: https://staatsbibliothek-berlin.de/service/anmeldung/
- Ausgewählte Online-Archive und Verlagsangebote (meist Registrierung erforderlich):
Bloomsbury: https://www.bloomsburycollections.com/
JSTOR: https://about.jstor.org/oa-and-free/
Project Muse: https://about.muse.jhu.edu/resources/freeresourcescovid19/
National Emergency Library des Internet Archives: https://archive.org/details/nationalemergencylibrary
In Erinnerung zu rufen ist auch das bewährte Web Verzeichnis von Clio online: https://www.clio-online.de/webresource/page
Informationen zu freien Kulturangeboten finden sich unter: https://netbib.hypotheses.org/78636010
Zahlreiche Hinweise auf offene Ressourcen bietet immer: https://archivalia.hypotheses.org/
Wenn in den genannten Pools nichts zu finden ist, lässt sich über die twitter-Hashtags #icanhazpdf und #twittothek eine äußerst hilfsbereite Community mit umfangreichen Privatbibliotheken um Unterstützung bitten.
Und last but not least: Es lohnt sich, Bibliotheken oder die Fachreferent*innen direkt anzusprechen, wenn ein Werk unbedingt benötigt wird – es lässt sich vielleicht nicht immer der gewohnte Standard bedienen, eine Lösung dürfte jedoch sicher gefunden werden.
Ergänzung vom 21.04.2020
Darüber hinaus existiert eine vielfältige Open Access-Publikationskultur in und über Ost- und Südosteuropa, durch die sich weite Streifzüge mit teils unerwarteten Ausblicken unternehmen lassen – eine Wohltat bei Ausgangsbeschränkungen.
Im Folgenden eine lose (nicht vollständige) Folge von Links zu wissenschaftlichen E-Journals mit Osteuropabezug aus den historischen bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen (Quelle u.a.: Directory of Open Access Journals https://doaj.org/).
1. Geschichtswissenschaft (nach Erscheinungsländern)
Deutschland
- Annaberger Annalen http://annaberger-annalen.de/
- Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder https://www.bohemia-online.de/
- Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung https://www.zfo-online.de/
Estland
- Annales Litterarum Societatis Esthonicae http://oes.ut.ee/
Finnland
- Ennen ja Nyt: Historian Tietosanomat https://journal.fi/ennenjanyt/
- J@rgonia http://jargonia.fi/
Frankreich
- Études Arméniennes Contemporaines https://journals.openedition.org/eac/
Griechenland
- Byzantina Symmeikta https://ejournals.epublishing.ekt.gr/index.php/bz/index
- Historical Review http://ejournals.epublishing.ekt.gr/index.php/historicalReview/index
Kosovo
- ILIRIA International Review http://iliriapublications.org/index.php/iir/index
Kroatien
- Dubrovnik Annals http://www.zavoddbk.org/en/dubrovnik-annals-eng/
Litauen
- Lietuvos Istorijos Studijos https://www.journals.vu.lt/lietuvos-istorijos-studijos
Moldau
- Eastern European Journal of Regional Studies http://csei.ase.md/journal/
Österreich
- Contemporary Southeastern Europe http://unipub.uni-graz.at/cse
- Medieval Worlds http://www.medievalworlds.net/
- S: I. M. O. N. Shoah: Intervention. Methods. Documentation https://simon.vwi.ac.at/index.php/simon
Polen
- Acta Universitatis Lodziensis: Folia Historica https://czasopisma.uni.lodz.pl/historica
- Eastern Review https://wydawnictwo.uni.lodz.pl/redakcje-czasopism/eastern-review/
- Folia Historica Craoviensia http://czasopisma.upjp2.edu.pl/foliahistoricacracoviensia
- Zapiski Historyczne http://www.zapiskihistoryczne.pl/pl/
Rumänien
- Historia Universitatis Iassiensis http://hui.uaic.ro/
- Romanian Journal of Historical Studies https://romanianjournalofhistoricalstudies.wordpress.com/
- Romanian Journal of History and International Studies http://rjhis.ro/
- Studium http://studium.ugal.ro/
Russland
- Historia Provinciae: Journal of Regional History http://hpchsu.ru/
- Izvestia. Ural Federal University Journal. Series 2: Humanities and Arts https://journals.urfu.ru/index.php/Izvestia2
- Journal of Frontier Studies https://jfs.today/index.php/jfs
- Sibirskie Istoričeskie Issledovanija http://journals.tsu.ru//siberia/en/
Serbien
- Zbornik Radova Vizantološkog Instituta http://www.doiserbia.nb.rs/journal.aspx?issn=0584-9888
Slowenien
- Annales, Series Historia et Sociologia https://zdjp.si/en/p/annalesshs/
Tschechien
- Acta Universitatis Carolinae Studia Territorialia http://stuter.fsv.cuni.cz/index.php/stuter
- AUC Historia Universitatis Carolinae Pragensis http://www.karolinum.cz/journals/hucp
Türkei
- The Turkish Yearbook of Çanakkale Studies http://canakkalearastirmalari.comu.edu.tr/index
- Osmanli Bilimi Arastirmalari http://dergipark.org.tr/en/pub/iuoba
Ukraine
- European Historical Studies http://eustudies.history.knu.ua/
- Storìnki Istorìï http://history-pages.kpi.ua/
- The Ukrainian Numismatic Annual https://numismatic-journal.com/index.php/journal
- History of science and technology http://hst-journal.com/index.php/hst
- Skhid http://skhid.kubg.edu.ua/
2. Wirtschaftswissenschaften
Deutschland
- Methoden, Daten, Analysen http://mda.gesis.org/
Estland
- Studies of Transition States and Societies http://www.tlu.ee/stss/
Finnland
- Finnish Yearbook of Population Research http://www.journal.fi/fypr
Kroatien
- Ekonomski Vjesnik http://www.efos.unios.hr/ekonomski-vjesnik/general-outline/
Moldau
Polen
- Ekonomiczne Problemy Turystyki http://www.wnus.edu.pl/ept
- Marketing of Scientific and Research Organisations http://minib.pl/en/about/
- Oeconomia Copernicana http://oeconomia.pl/
- Optimum: Economic Studies http://optimum.uwb.edu.pl/index.php/osj/index
- Polish Journal of Management Studies https://pjms.zim.pcz.pl/resources/html/cms/MAINPAGE
- Współczesna Ekonomia http://we.vizja.pl/
Rumänien
- Annals of the Stefan cel Mare University of Suceava : Fascicle of the Faculty of Economics and Public Administration http://www.seap.usv.ro/annals
- Global Economic Observer http://www.globeco.ro/
- Journal of Smart Economic Growth https://jseg.ro/
Russland
- Arktika i Sever http://www.arcticandnorth.ru/en/
- Modern Research of Social Problems http://soc-journal.ru/
Ungarn
- Theory, Methodology, Practice http://tmp.gtk.uni-miskolc.hu
Nachtrag: Eine Information des Deutschen Bibliotheksverbandes:
Der amerikanische Bibliotheksverband ALA stellt seine Publikationsplattform Booklist Bibliotheken weltweit kostenlos zur Verfügung. Angesichts der COVID-19-Krise können E-Audios und E-Books, Features und weiteres Material von allen kostenlos genutzt werden. Weitere Informationen unter: http://www.booklistonline.com
- Guédon, Jean-Claude: Open Access: Toward the Internet of the Mind, in: BOAI 15 (2017), URL: https://www.budapestopenaccessinitiative.org/boai15/Untitleddocument.docx [↩]
- ibid. [↩]
Kommentare von Hans Bauer